Abbildung 1: Buchcover Sakrileg (Quelle www.exlibris.ch )
Alles nur erfunden?
2003 erschien das Buch «Sakrileg» vom berühmten Krimiautor Dan Brown. Das Buch und er entsprechende Film «Da Vinci Code» hatte 2003 einen regelrechten Hype um die Frage eröffnet, ob Jesus schlussendlich bloss ein ganz normaler Zimmermann war. Im Buch von Dan Brown für das der Autor extra in der alten Bibelgeschichte recherchiert hatte, beginnt mit einer Leiche des Louvre-Direktors, der Tod in der Galerie, ganz in der Nähe der «Mona Lisa» liegt. Dan Brown wittert in seinem Thriller also eine der grössten Vertuschungsaktion in der Geschichte der Menschheit. Dabei steht die Kirche inmitten eines Geheimbundes, der die Macht und den Einfluss der Kirche um jeden Preis bewahren will. Laut Roman war Jesus ein normaler, sterblicher Mensch. Erst unter Kaiser Konstantin wurde er im 4. Jahrhundert auf dem Konzil zu Nizäa zu Gott erklärt. Konstantin habe daher alle früheren Aufzeichnungen über den sterblichen Jesus vernichten lassen und eine neue, gefälschte Evangeliensammlung in Auftrag gegeben. Die bekannten Evangelien der Bibel. Diese würden aber ein völlig falsches Bild von Jesus zeichnen. Leonardo da Vinci hat in seinem Fresko dieses Geheimnis «codiert» und der Nachwelt mitgeteilt. Daher auch der Originaltitel «The Da Vinci Code».
Über den eher dürftigen Recherchebeitrag von Dan Brown lässt sich sicher zurecht streiten. Aber könnte es den tatsächlich sein, dass die Kirche die ganze Jesusstory aus nachvollziehbaren Machtgründen einfach erfunden hat? Im Hintergrund nagt diese Frage doch schon irgendwie. Könnte es nicht doch sein, dass die Christen sich getäuscht haben? Dass sie leichtgläubig einem gigantischen Betrug aufgesessen sind? Dass wir schlicht einen historischen Irrtum glauben? Die blosse Tatsache, dass das Buch «Sakrileg» über 81 Millionen Mal verkauft wurde (Tomkowiak 2012), zeigt, dass der Stoff den Nerv der Zeit getroffen hat. In einem Interview im Tagi meinte der Schauspieler Ian McKellen auf die Frage, ob Jesus und Maria Magdalena verheiratet waren: «Die Kirche müsste darüber eigentlich glücklich sein. Dann war Jesus wenigstens nicht schwul» (Tages-Anzeiger 2006:53).
Ich glaube kaum, dass irgendjemand denkt, dass die Kirche im Ernst einen so grundlegenden Betrug überhaupt verstecken könnte. Im Gegenteil! Ihr oberstes Anliegen war es die Story von Jesus überall zu verbreiten. Trotzdem wirft der Roman interessante Fragen auf. Die Faszination des Romans, und die hitzige Debatte, die er ausgelöst hat, sind ein guter Grund ein paar kontroverse Fragen zu überdenken. Fordert nicht das Neue Testament selbst zum offenen Umgang mit Kritik auf: «Seid immer dazu bereit, denen Rede und Antwort zu stehen, die euch nach der Begründung eures Glaubens fragen» (1. Petr 3,15).
So stellt sich mit dem Roman folgende Kernfrage, die die Gemüter erhitzt: «Hat die Kirche Jesus als Gottes Sohn einfach erfunden?». Dan Brown versucht die Antwort implizit durch das Hinterfragen von biblischen Grundpfeilern zu geben. Er behauptet herausgefunden zu haben, dass:
- Jesus verheiratet war
- Die Evangelien unzuverlässig sind
- Maria im «letzten Abendmahl» ursprünglich abgebildet ist
1. War Jesus verheiratet?
Abbild 2: Da Vinci Letztes Abendmahl (Quelle Das Abendmahl (Leonardo da Vinci) – Wikipedia)
Im Buch behauptet Brown, dass die Ehe zwischen Jesus und Maria historisch verbürgt sei (Brown 2004:337). Tatsache ist, dass Maria Magdalena eine Jüngerin von Jesus war, die er von Dämonen befreit hat. Sie begleitete mit anderen Frauen Jesus und seine Jünger auf ihren Reisen. Weiter erscheint sie in allen vier Evangelien als Zeugin der Auferstehung (Mt 28,1-8;Mk 16,1-10;Lk 24,1-10;Joh 20,11-18) und wird auch in ausserbiblischen Texten erwähnt (Marienevangelium). In keinem einzigen Bericht gibt es irgendeinen Hinweis, dass sie mit Jesus verheiratet war. Es wird nie erwähnt, dass er eine Ehefrau hatte. Wenn immer von Jesus Familie die Rede ist, werden seine Brüder und Schwestern genannt (Mt 13,55 und Mk 6,3). Die beste Beweisführung wäre gewesen, wenn Paulus – der selbst bekennender Single war – Jesus und Maria in seinen Berichten erwähnt hätte. Insbesondere da, wo er dafür argumentierte, dass Apostel heiraten können (1 Kor 9,5).
2. Sind die Evangelien reine Erfindung?
Die vier Evangelien gehören zum Neuen Testament, weil sie echt und authentisch waren, damals wie heute. Die vier Berichte wurden in der gesamten Christenheit anerkannt als Augenzeugenberichte Jesu. So schreibt Lukas an seinen Freund Theophilus: « Schon viele haben versucht, all das aufzuschreiben, was Gott unter uns getan hat, so wie es uns die Augenzeugen berichtet haben, die von Anfang an dabei waren […]. Auch ich habe mich entschlossen, allem von Anfang an sorgfältig nachzugehen und es für dich aufzuschreiben. So wirst du feststellen, dass alles, was man dich gelehrt hat, zuverlässig und wahr ist» (Lk 1,1-4).
Dazu hat die Päpstliche Bibelkommission in der Rolle ihrer Führungsfunktion am 21.4.1964 ein kleines Dokument über die geschichtliche Wahrheit der Evangelien verfasst. Diese „Instructio“ öffnete der sogenannten formgeschichtlichen Methode in der Exegese der synoptischen Evangelien die Tür und unterstreicht die Echtheit der Evangelien (Deutsche Bibel Gesellschaft 2017:2). Zudem unterstreicht der Qumran-Experte Alexander Schick in seinem Buch «Das wahre Sakrileg», dass der Fund der Qumran-Handschriften beweist, wie historisch fest die Evangelien im antiken Judentum verankert sind (Schick 2006:69f).
Die Theorie einer Verschwörung der Kirche ist ebenfalls schwer zu halten, da sie von zu vielen Protagonisten über eine sehr lange Zeitspanne aufrecht erhalten hätte werden müssen. Wenn man bedenkt, unter welchen qualvollen Tod die meisten Apostel und Jünger gestorben sind, kann es absolut ausgeschlossen werden, dass keiner dieser Zeugen nicht die Wahrheit erzählt haben.
3. Ist Maria im «letzten Abendmahl» von Da Vinci abgebildet?
Dan Brown behauptet im Buch, der feminin aussehende Jünger in Leonardo Da Vincis «Abendmahl» sei in Wirklichkeit Maria Magdalena (Sakrileg 2004:336). Der weltweit führende Da Vinci-Forscher, Professor Frank Zöllner vom Institut für Kunstgeschichte an der Universität Leipzig hält dieser Behauptung entgegen, dass die Darstellung des Johannes dem damals üblichen Typus erfolgt sei. An Leonardos Darstellung sei daher nichts ungewöhnlich. Da Vinci habe von seinen Fresken vorgängig detaillierte Skizzen gemacht. Jeder seiner Abendmahl-Figuren sei auf diesen Entwürfen namentlich aufgeführt. Den Jünger zu seiner Rechten habe er als «Johannes» gekennzeichnet, nicht als Maria (Schick 2006:41ff). Die Idee im Roman ist interessant, aber eine reine Erfindung von Brown!
Hat die Kirche Jesus als Gottes Sohn erfunden?
Und so kann ich resümieren, dass die Kirche Jesus keinesfalls erfinden konnte. Wir haben gesehen, dass die Bibel und die Jesusstory zu komplex und zu genial sind. Eine Organisation wäre nicht im Stande eine solche Geschichte zu erfinden ohne, dass diese die letzten 2000 Jahre nicht längst der Lächerlichkeit Preis gegeben worden wäre. Und so möchte ich meinen heutigen Blogg mit einem Zitat von C. S. Lewis, einem der bedeutendsten christlichen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, schliessen: «Wenn das Christentum falsch ist, ist es bedeutungslos. Wenn es wahr ist, ist es von unendlicher Bedeutung. Eines kann es nicht sein: Mittelmässig bedeutsam» (Scharnowski 2019).
Literaturverzeichnis
Brown, Dan 2004. SAKRILEG. Köln: Verlag Bastei Lübbe AG.
Die Heilige Schrift. Elberfelder Bibel, revidierte Fassung. 1996. 7. Aufl. Wuppertal: Brokhaus.
Scheck, Alexander 2006. DAS WAHRE SAKRILEG – Die verborgenen Hintergründe des Da-Vinci-Codes. München: Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co.
Neues Leben. Die Bibel. 2006. Witten: SCM-Verlag.
Scharnowski, Reinhold 2019. jesus.ch «C.S. Lewis: 10 Argumente für den Glauben».
Tomkowiak, Ingrid 2012. «Wenn Dan Brown eine Sekte wäre – würde ich beitreten!» Zur politischen Relevanz von Verschwörungsromanen. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.