IST JESUS DER EINZIGE WEG ZU GOTT?

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„Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“

Johannes 14,6

Während dieser Vers für manche Christinnen und Christen eine tröstende Gewissheit vermittelt, steckt in dieser Selbstaussage Jesu für andere glaubende und säkulare Menschen eine Provokation. Wenn Jesus, der Sohn, der einzige Weg zu Gott, dem Vater, ist, bedeutet das, dass die zahlreichen anderen religiösen Wege nicht zu Gott führen? Der in diesem Vers anklingende Absolutheitsanspruch des Christentums steht im Konflikt mit den westlichen Ideen von Gleichheit und Relativität aller Religionen (Vroom 1998). Durch die Zunahme multikultureller Gesellschaften im späten 20. Jahrhundert im Westen und dem eingehergehenden religiösem Dialog hat die Frage nach dem Verhältnis von Religionen und Weltanschauungen in der Theologie stark an Bedeutung gewonnen (Lähnemann 1998). Die sogenannte Theologie der Religionen widmet sich diesen Fragestellungen (Vroom et. al. 1998). Im Folgenden sollen die drei vorherrschenden Sichtweisen dargestellt und abschließend ein persönliche Positionierung vorgenommen werden.

Exklusivismus

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Dem Exklusivismus zu folge gibt es außerhalb der christlichen Religion kein Heil (Vroom et. al. 1998). Dieser Ansatz wird gelegentlich auch als Partikularismus bezeichnet, da er die besonderen Merkmale des Christentums hervorhebt (McGrath 2020:628). Als klassische Vertreter dieses Ansatzes können der niederländische Missionstheologe Hendrik Kraemer (1888-1965) und der Schweizer reformierte Theologe Karl Barth (1886-1968) genannt werden (ebd.). Neuere Ansätze dieser Position finden sich bei den britischen Theologen Stephen Neill (1900-1984) und Lesslie Newbigin (1909-1998) (:629). Die evangelikale Christenheit vertritt ihrer Gesamtheit diesen Ansatz (:633), allerdings mit zunehmenden Ausnahmen. Die Stärken des Exklusivismus liegen darin, dass sie die klassische Position des christlichen Glaubens verteidigen und an der Grundlage des Missionsauftrages ausnahmslos festhalten. Kritik wird allerdings mit Blick auf die Frage der Toleranz laut. Selbst Befürworter dieses Ansatzes wie Neill (1963:23f.) gestehen zu, dass diese Sichtweise für moderne Menschen intolerant und beleidigend wirken könne. Newbigin (2017) weist darauf hin, dass andere Sichtweisen, wie die des Pluralismus, ebenso absolute Behauptungen aufstellen.

Inklusivismus

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Aus Sicht des Inklusivismus schließt das Heil im Christentum alle Religionen mit ein (Vroom et. al. 1998). Anders als der Exklusivismus erkennt dieser Ansatz in anderen Religionen wichtige Meilensteine auf dem Weg zum christlichen Glauben (McGrath 2020:630). So besagt die inklusivistische Erfüllungshypothese, „dass auch die anderen Glaubensüberzeugungen in Christus ihre Erfüllung finden“ (ebd.). Diese Sichtweise entwickelte sich innerhalb der christlichen Theologie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, u.a. durch J. N. Farquart (1861-1929) und B. F. Westcott (1825-1901), als zunehmend britische Theologen in Indien in direkten Kontakt mit dem Hinduismus kamen (ebd.). Nach dem Zweiten Weltkrieg gewann der Inklusivismus vor allem in der katholischen Theologie neue Aufmerksamkeit (:631). Mit dem Jesuiten Karl Rahner (1962) bekam dieser Ansatz einen prominenten Fürsprecher, der in seinen Schriften zur Theologie die Auffassung vertritt, dass das Christentum zwar die absolute Religion sei, aber nichtchristliche Religionen trotz ihrer Irrtümer auch Zugang zur rettenden Gnade in Christus hätten. Eine davon zu unterscheidende Sichtweise ist mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil verbunden: „Rahner vertritt eine inklusive Auffassung mit Blick auf Offenbarung und Soteriologie; das Vaticanum II neigt zu einem inklusiven Verständnis der Offenbarung und einer partikularistischen Sicht der Soteriologie“ (McGrath 2020:633).

Pluralismus

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Der Pluralismus sieht in den verschiedenen Religionen unterschiedliche, aber gleichwertige und gültige Heilswege (Vroom et. al. 1998). Mit dieser Sichtweise geht eine Relativierung der eigenen, religiösen Ausgangsposition einher (Gantke et. al. 1998). Als wichtigster Vertreter dieses Ansatzes gilt der britische Religionsphilosoph John Hick (McGrath 2020:636). Hick sieht eine Notwendigkeit des Christentums darin, sich von einem christologischen Ansatz zugunsten eines theozentrischen Verständnisses zu verabschieden (ebd.). Entscheidend in Hicks Argumentation ist dabei ist die Betonung des göttlichen Heilswillen. Wenn Gott will, dass alle Menschen gerettet werden, ist es Hick zu folge nicht vorstellbar, dass nur ein kleiner Teil der Menschheit diese Offenbarung und damit auch das Heil zu Teil werde (ebd.). So kommt er zu der Schlussfolgerung, dass alle Religionen zu demselben Gott führen (ebd.). Eine Herausforderung des pluralistischen Ansatzes besteht darin, dass sich religiöse Ansichten in wesentlichen Fragen stark voneinander unterscheiden oder gar gänzlich gegensätzliche Sichtweisen vertreten (:637). Mit Blick auf die Unterschiedlichkeit von Religionen kommt auch der Mathematiker und Religionskritiker Bertrand Russel zu dem Entschluss, dass „höchstens eine davon wahr sein kann, da sie zueinander im Widerspruch stehen“ (Russell 1981:13).

Resümee

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die drei verschiedenen Sichtweisen eine unterschiedliche Position mit Blick auf das Heil vertreten. Während es für den Exklusivismus kein Heil außerhalb des christlichen Glaubens gibt, schließt der Inklusivismus andere Religionen in das Heil des Christentums ein. Der Pluralismus erkennt gänzlich unterschiedliche Wege als gleichwertige Pfade zu Gott. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass es sich hierbei um eine vereinfachte Darstellung handelt, die nicht alle theologischen Sichtweisen abbildet. McGrath (2020:627) weist beispielsweise darauf hin, dass einige Theologinnen und Theologen einerseits eine inklusive Sicht auf die Wahrheit außerhalb der christlichen Kirche vertreten, andererseits aber nicht von einer exklusiven Sicht auf das Heil abrücken.

Eigene Positionierung

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Auch wenn ich mir der herausfordernden Außenwirkung des Exklusivismus bewusst bin, gibt diese Position meine Sichtweise mit Blick auf die Frage nach dem Heil am treffendsten wieder. Auf ähnliche Weise wie Newbigin widerspreche ich Ansätzen, die den christlichen Glauben als eine Perspektive unter vielen verstehen. Mit Blick auf das Ich-Bin-Wort Jesu in Joh 14,6 und der paulinischen Theologie, in welcher Jesus in einem multikulturellen und -religiösen Umfeld als einziger Retter und Erlöser darstellt wird, kann ich den Pluralismus und sein universalistisches Heilsverständnis nicht mit meinem Bibelverständnis vereinbaren. Denkbar finde ich auch die Sichtweise des Zweiten Vatikanischen Konzils, die eine Unterscheidung zwischen Offenbarung und Heil trifft, wobei ich unbedingt betonen würde, dass sich Gott am deutlichsten in Jesus Christus offenbart hat.

Wichtig finde ich zudem festzuhalten, dass nicht nur der Exklusivismus, sondern letztlich alle drei religionstheologischen Ansätze einen „exklusiven“ Standpunkt vertreten, da jede Position die anderen als falsch beschreibt und somit einen exklusiven Anspruch erhebt. Anschaulich wird diese Tatsache vom Autor Timothy Keller (2010) in seinem Bucht Warum Gott? oder in diesem apologetischen Kurzvideo der Theologin Julia Garschagen (2016) dargestellt. Nichtsdestotrotz darf aus meiner Sicht der Pluralismus nicht außer Acht gelassen werden, wenn er sich auf unser gesellschaftliches Verständnis bezieht. Wenn man den Begriff alltagssprachlich gebraucht, um auf ein respektvolles und wertschätzendes Miteinander zwischen unterschiedlichen Weltanschauungen und Religionen aufmerksam zu machen, möchte ich mich unbedingt als Pluralist verstehen und als solcher wahrgenommen werden.

Quellenangaben

Lähnemann, Johannes 1998. Interreligiös. RGG4. Online im Internet: http://dx-1doi-1org-1a6wnfqtj0804.elk-wue-han.hh-netman.de/10.1163/2405-8262_rgg4_SIM_10506 [Stand: 05.02.2022].

Gantke, Wolfgang et. al. 1998. Pluralismus. RGG4. Online im Internet: http://dx-1doi-1org-1a6wnfqtj0804.elk-wue-han.hh-netman.de/10.1163/2405-8262_rgg4_COM_024405 [Stand: 05.02.2022].

Garschagen, Julia 2016. Ist es nicht arrogant zu sagen, dass Jesus der einzige Weg ist? Youtube.com. Online im Internet: https://youtu.be/FsAeJ2aieYo [Stand: 05.02.2022].

Keller, Timothy 2010. Warum Gott? Vernünftiger Glaube oder Irrlicht der Menschheit? Gießen: Brunnen Verlag.

McGrath, Alister 2020. Der Weg der christlichen Theologie. Eine Einführung. Gießen: Brunnen Verlag.

Neill, Stephen 1963. Gott und die Götter. Christlicher Glaube und die Weltreligionen. Gütersloh: Gerd Mohn Verlag.

Newbigin, Lesslie 2017. Das Evangelium in einer pluralistischen Gesellschaft. Neukirchen-Vluyn: Neukirchner Verlag.

Rahner, Karl 1963. Schriften zur Theologie Bd. V, Zürich: Benzinger Verlag.

Russell, Bertrand 1981. Warum ich kein Christ bin. Reinbek: Rowohlt Verlag.

Vroom, Hendrik M. 1998. Absolutheitsanspruch des Christentums. RGG4. Online im Internet: http://dx-1doi-1org-1a6wnfqtj0804.elk-wue-han.hh-netman.de/10.1163/2405-8262_rgg4_COM_00095 [Stand: 05.02.2022].

Vroom, Hendrik M. et. al. 1998. Theologie der Religionen. RGG4. Online im Internet: http://dx-1doi-1org-1a6wnfqtj0804.elk-wue-han.hh-netman.de/10.1163/2405-8262_rgg4_COM_025103 [Stand: 05.02.2022].

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